Dienstag, 9. April 2013

Templestay im Yongjusa

Auf der Liste der Dinge, die ich mir in Korea anschauen wollte, stand es schon lange und kurz vor meiner Abreise klappte es dann auch: Ich besuchte einen buddhistischen Tempel für einen zweitägigen Tempelaufenthalt, zusammen mit SunYoung. Wir hatten uns für einen Tempel entschieden, der in der Nähe Suwons und damit außerhalb Seouls lag, jedoch noch mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen war. Während nahezu alle Tempel Aufenthalte mit kurzen Einführungen in die buddhistischen Traditionen anbieten, gibt es nur wenige, die für englischsprachige Besucher offen stehen. Yongjusa, gegründet 854, ist ein solcher Tempel.


Der Tempeleingang


Die Haupthalle


Bemalte Holzschnitzereien schmücken das Dach...


...während der Wächter des Tempels dem Drachen seinen Dragon Ball vorenthält

Mit uns angemeldet hatte sich eine Gruppe koreanischer Studenten von einer Fernuniversität, die Tourismus studierten und den Besuch im Tempel als Feldstudie ansahen. Unsere Handys mussten wir bei der Ankunft im Tempel abliefern. Im Gegenzug bekamen wir mönchsähnliche braune Bekleidung ausgehändigt, die wir während unseres Aufenthalts tragen sollten.

Dann begann das Besucherprogramm, das sehr typisch für Korea von Anfang bis Ende durchgetaktet war und nur wenig individuelle Freiräume ließ. Wir lernten, wie die typische Verneigung vor Buddha vonstatten geht, meditierten, sangen Erzählungen aus Buddhas Leben (ich rezitierte auf Englisch, während alle anderen Anwesenden Selbiges auf Koreanisch taten), machten einen Rundgang über das Tempelgelände, huldigten uns gegenseitig in einer kleinen Feedbackrunde und diskutierten in kleiner Runde mit einer buddhistischen Nonne, die uns während unseres Aufenthalts immer wieder begegnete. SunYoung war häufig damit beschäftigt, das Gesagte für mich zu übersetzen. Unterstützung bekam sie dabei von einer jungen Frau, die sich als Freiwillige bereit erklärt hatte, mir bei der Übersetzung zu helfen und die damit nur wegen mir, dem einzigen anwesenden englischsprachigen Touristen, ihr Wochenende im Tempel verbrachte.


Kann das mal bitte jemand für mich übersetzen?


Vorstellungsrunde zusammen mit einer Nonne


Wir drehen drei Runden um das Türmchen


Drei Verbeugungen vor Buddha in der Haupthalle

Das Abendessen zusammen mit einem Mönch war ein weiteres aufregendes Highlight, bei dem Konzentration gefragt war, um nicht negativ aufzufallen. Die Regeln für die Essensprozedur sind grundsätzlich streng: Alles, was sich in den eigenen Schüsseln befindet, muss bis auf den letzten Rest aufgegessen werden – die Schüsseln müssen hinterher blitzen wie abgewaschen. Dabei darf während des Essens weder das Klappern von Löffeln noch sonstiges anderes Essensgeräusch zu hören sein. Mönche essen grundsätzlich vegetarisch, es gab also Suppe, Tofu, Reis und Gemüse – einfach, aber lecker.


Nach einer kurzen Nacht sprangen wir am nächsten Morgen bereits um drei Uhr von den Matratzen, zu nachtschlafender Zeit also. Die Mönche des Tempels stehen täglich zu dieser Zeit auf, weil es sich um die Geburtsstunde Buddhas handelt. Wir taumelten hinüber zu den Hauptgebäuden des Tempels und unter Trommelschlägen rezitierten wir eine weitere Geschichte aus Buddhas Leben, nämlich die Lehre über die Schuld, die Kinder ihren Eltern gegenüber haben. Weshalb genau diese Geschichte für uns ausgewählt worden war, weiß ich nicht – um einen Zufall handelte es sich aber sicherlich nicht, ist doch die Eltern-Kinder-Beziehung ein zentraler Baustein im Gefüge der koreanischen Gesellschaft. Im Anschluss, der Morgen graute langsam, machten wir uns an die 108 Verbeugungen vor Buddha, die knapp eine halbe Stunde in Anspruch nahmen und letztlich wie eine Art Frühsport für den gesamten Körper wirkten. Nach dem Frühstück, diesmal ohne Mönch und damit in entspannterer Atmosphäre, starteten wir zu einer kleinen Wanderung in den hinter dem Tempel gelegenen Wald. Den Abschluss bildete zu guter Letzt eine Teezeremonie, bei der wir in die Geheimnisse der Teezubereitung eingeweiht wurden – auch die Nonne ließ es sich nicht nehmen, eine Tasse mit uns zu trinken und ein wenig mit uns zu plaudern. Gegen Mittag schließlich endete unser Tempelaufenthalt mit einem Gruppenfoto vor dem Nebengebäude, in dem wir untergebracht waren.


Verbeugungen...


...und noch mehr Verbeugungen


Auf gemeinsamer Wanderschaft


Frühstück


Teezeremonie


Abgesehen von der etwas anstrengenden Müdigkeit, die uns am zweiten Tag nach zu kurzer Nacht begleitete, waren unsere Erlebnisse im Tempel durchgehend positiv. Wir nahmen viele schöne Eindrücke mit nach Hause, dazu Erkenntnisse über buddhistische Traditionen und Werte sowie über das Leben der Mönche im Tempel. Und auch beim Gesamtfazit waren SunYoung und ich mir einig – es waren außerordentlich spannende zwei Tage, bei denen wir viel gelernt haben, auch über uns. Aber tauschen wollen würden wir mit den Mönchen nicht.

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