Mittwoch, 28. November 2012

Straßenverkehr mal anders

Zumindest haben die Koreaner keinen Linksverkehr. Aber abgesehen davon sollte man in Seoul stets hellwach sein, wenn man sich hinter das Steuer setzt. Nachdem ich die ersten Wochen mit U-Bahn und Bus ins Büro gefahren bin und jeden Tag mehr als zwei Stunden in überfüllten öffentlichen Verkehrsmitteln zubrachte, war ich froh, als mein internationaler Führerschein eintraf. Seitdem lege ich die 18 km Arbeitsweg mit einem Leihwagen zurück, ein Hyundai Sonata, 2.0 l Benziner mit 170 PS. Der Sonata ist hier so eine Art Jedermann-Wagen, das mit Abstand häufigste Modell auf der Straße. Glaubt man der Statistik, hat Hyundai in Südkorea einen Pkw-Marktanteil von etwa 50% - und wenn ich mich im Straßenverkehr so umschaue, gibt es keinen Grund an der Statistik zu zweifeln. Ich nehme an, dass Kia weitere 25-30% des Marktes einnimmt, so dass nicht mehr viel Platz für andere Automarken bleibt.

Die durchschnittlich hohe Leistung der Autos hier schlägt sich leider auch im Benzinverbrauch nieder, mit meinem Sonata schaffe ich es gerade so, unter 10 Litern auf 100 Kilometern zu bleiben. Immerhin verkürze ich mit dem Auto die Zeit für das Pendeln auf etwa eine Stunde täglich, allerdings nur, wenn ich es schaffe, die Strecke vor dem morgendlichen und abendlichen Verkehrsinfarkt hinter mich zu bringen. Dafür starte ich morgens um halb 7 auf die dann noch leeren Straßen. Da es zu dieser Zeit noch dunkel ist, findet man recht schnell die erste Spezialität der Koreaner heraus: ohne Licht zu fahren. Die Straßenlaternen leuchten schließlich genug, warum also die Fahrzeugbelichtung einschalten? Geschätzte 10% der Autofahrer frönen diesem Hobby, vielleicht um Benzin zu sparen, vielleicht um den Kitzel etwas zu erhöhen. Ich habe mir jedenfalls angewöhnt, sehr genau in den Rückspiegel zu sehen, bevor ich abbiege oder die Spur wechsle. Apropos abbiegen: Auch Blinken ist absolut aus der Mode. Die Mehrheit der Autofahrer weiß wahrscheinlich gar nicht, wo der Blinker in ihrem Auto zu finden ist.

Montag, 26. November 2012

I am an Alien

Wer sich für länger als drei Monate in Korea aufhalten möchte, muss sich dafür bei der lokalen Einwanderungsbehörde registrieren lassen. Das gilt auch für jene wie mich, die ein Visum für einen wesentlich längeren Zeitraum haben. Alles muss seine Richtigkeit haben! Vor drei Wochen war ich deshalb auf dem Amt und habe allerhand Dokumente abgeliefert - dank eines vorab vereinbarten Termins brauchte ich keine Minute zu warten und kam sofort dran. Was für ein Service! Meine Fingerabdrücke wurden nach der Ankunft am Flughafen ein weiteres Mal registriert - ab sofort muss ich also wirklich vorsichtig sein und mich anständig benehmen! Nach meinem Gang zum Amt vergingen etwa drei Wochen bis ich das Ergebnis in der Hand halten konnte: die „Alien Registration Card“. Nein, das ist kein Witz; genau so heißt die Plastikkarte, die so etwas ist wie der Personalausweis für Ausländer. Ich kann nun also mit Fug und Recht behaupten, ein Alien zu sein!


Die Karte hat auch einen gewichtigen Vorteil, nämlich dass das einmal gewährte Visum nun nicht mehr automatisch abläuft, wenn ich am Flughafen den Ausgangsstempel bekomme und Südkorea verlasse. Oder anders gesagt: ich kann ab sofort für die verbleibende Dauer des Visums nach Belieben ein- und ausreisen. Japan und China sind also nun wirklich nur noch eine Flugstunde entfernt.

Samstag, 24. November 2012

Namsan, Inwangsan und Secret Garden

Seoul ist umgeben von Bergen und auch im Stadtgebiet gibt es mehrere Erhebungen, die unbebaut sind und aus dem Häusermeer herausragen. Den wohl populärsten Hügel namens Namsan („Südberg“, 265 m hoch) erklomm ich am vergangenen Sonntag bei strahlendem Sonnenschein. Mit mir waren viele andere Ausflügler unterwegs, die über viele Stufen nach oben strebten oder aber den bequemen Weg mit der Seilbahn wählten. Oben angekommen eröffnet sich in allen Richtungen ein fantastischer Blick über die Stadt, denn der Namsan liegt wirklich mitten in Seoul.


An der Stadtmauer entlang den Namsan hinauf



Viele Treppen sind zu bewältigen, den Fernsehturm im Blick

Freitag, 23. November 2012

Changdeokgung und Bukchon

Im Reigen der Seouler Königspaläste hatte ich bisher Changdeokgung ausgelassen, jenen Palast, der 1405 erbaut wurde und für insgesamt 270 Jahre der Sitz der Herrscher der Joseon-Dynastie war. Diesen lange aufgeschobenen Besuch holte ich am vergangenen Wochenende nach – und es sollte sich lohnen.

Die Besonderheit fällt dem Besucher schon nach wenigen Schritten ins Auge: im Gegensatz zu allen anderen Palästen ist Changdeokgung nicht stur axial ausgerichtet, sondern fügt sich in die natürlichen Gegebenheiten des Geländes ein. Hügel und Senken wurden geschickt in die Gestaltung mit einbezogen, so dass der Palast insgesamt abwechslungsreicher und verspielter wirkt. Zusammen mit der historischen Bedeutung hat dies dazu geführt, dass Changdeokgung in die Liste der Weltkulturerbestätten der UNESCO aufgenommen wurde.

Wie schon im Gyeongbokgung sind der Thronsaal, die für öffentliche Zwecke genutzten Räumlichkeiten und die Wohnhäuser für Besucher zugänglich. So spaziere ich denn über das Gelände und lasse das Gesamtwerk auf mich wirken.


Die Thronhalle von Changdeokgung

Dienstag, 20. November 2012

Willkommensumtrunk

Nach vielen Ankündigungen war es am letzten Donnerstag endlich so weit: Zusammen mit dem Rest der Controlling-Mannschaft ging es abends in ein Seouler Lokal, um meine Ankunft in Korea mit einem Abendessen zu feiern und standesgemäß zu begießen. Wenn man ein bisschen recherchiert, was es in Korea unter Kollegen und Geschäftspartnern nach Büroschluss für Bräuche gibt, mag der gemeine Mitteleuropäer etwas ungläubig dreinschauen. So habe ich mehrfach gelesen, dass regelmäßig - also durchaus mehrmals pro Woche, bei großen Unternehmen wie Samsung sogar täglich - gemeinsam ausgegangen wird, meist in eine Kneipe der Wahl. Und dann wird bis spät in die Nacht gezecht, wobei die Koreaner bei steigendem Alkoholpegel zunehmend auftauen und die sonst übliche Distanziertheit, auch zwischen Mitarbeitern verschiedener Hierarchieebenen, kaum noch zu spüren ist. Und solange der Chef nicht geht, verabschiedet sich auch keiner der anderen Mitarbeiter. Das führt sogar mitunter dazu, dass Beschäftigte am Ende betrunken unter dem Tisch landen, unfähig, den Nachhausweg anzutreten. Angst haben, negativ aufzufallen, muss niemand – im Büro ist am nächsten Tag alles vergessen. Um gute Beziehungen untereinander aufzubauen und zu pflegen, gelten solche gemeinsamen Abende in Südkorea als absolut unverzichtbar.

Soweit die Theorie. In der Praxis fiel unsere erste gemeinsame Runde wesentlich harmloser aus. Um kurz nach halb 7 starteten wir zu einem beliebten Restaurant im Zentrum Seouls, das für seine Grillspezialitäten bekannt ist. Im Gegensatz zu den meisten Lokalen kommt hier nämlich kein Schweinefleisch aus gewöhnlicher koreanischer oder chilenischer Haltung, sondern Bio-Schweinefleisch von der im Süden Koreas gelegenen Insel Jeju auf den Teller.

Sonntag, 18. November 2012

Die Frage der Fragen

In meinem Post über die ersten Tage im Büro hatte ich Euch ein kleines Rätsel mit auf den Weg gegeben, das zugegebenermaßen nicht ganz einfach zu lösen war. Es galt herauszufinden, welche Fragestellung in Korea so wichtig ist, dass sie zu den ersten Themen gehört, die beim Kennenlernen angesprochen werden. Um des Rätsels Lösung verständlich zu erklären, muss man ein bisschen weiter zurückgehen in der Kulturgeschichte Koreas, bis ins 4. Jahrhundert nach Christus, als der Konfuzianismus Einzug hielt in Südkorea. Bis heute hat diese Gesellschaftslehre, die sowohl philosophische als auch religiöse Bestandteile aufweist, eine große Bedeutung und wesentlichen Einfluss auf das Handeln und Leben der Koreaner. Insbesondere die Auswirkungen zweier Grundsätze lassen sich immer wieder beobachten: der hohe Stellenwert von Bildung und die hierarchische Organisation der Gesellschaft.

Ich hatte in meinem Eintrag über Ganghwado geschrieben, dass unzählige Gruppen von Kindern auf einer der Festungen unterwegs waren. Gleiches lässt sich in den Palästen in Seoul oder in den Bergen und Wäldern, die historische Bedeutung haben, feststellen - selbst an Wochenenden wimmelt es hier nur so von Kindergruppen. Bildung ist wichtig, selbst und gerade für die Kleinsten. Das Lernen von Schreiben und Lesen vor der Einschulung, das Lernen neben der Schule in Abendkursen, die Bedeutung eines guten Abschlusses bei einer der renommierten Universitäten (fast alle Koreaner studieren, trotz horrender Studiengebühren) – es gibt unzählige Beispiele für die überragende Bedeutung von Bildung in der koreanischen Gesellschaft.

Dienstag, 13. November 2012

Ganghwado

An den ersten zwei Wochenenden war ich in die Berge gefahren, obwohl das Gelbe Meer doch nur wenige Kilometer von Seoul entfernt ist. Es war also an der Zeit, die maritime Seite Koreas kennenzulernen. Und so setzte ich mich am Sonnabend hinter das Steuer meines Leihwagens und versuchte, dem Navigationsgerät das gewünschte Ziel beizubringen. Da ich mein koreanisches Navi mittlerweile gegen ein englischsprachiges getauscht hatte, funktionierte das nach etwas Probieren dann auch. Meine Idee war, der direkt vor der Mündung des Hangang liegenden Insel Ganghwa einen Besuch abzustatten, mit 300 km² Fläche immerhin das fünftgrößte Eiland Südkoreas. Über Highways führte mich mein Weg zunächst aus Seoul heraus, durch mehrere Vororte immer Richtung Westen.

Nach etwa einer Stunde Fahrzeit überquerte ich eine der beiden großen Brücken, die die Insel mit dem Festland verbinden. Da ich mir vorher im Internet nur einen groben Überblick über die Sehenswürdigkeiten verschafft und kein bestimmtes Ziel vor Augen hatte, schlug ich zunächst einfach die vom lokalen Tourismusverband empfohlene Route über die Insel ein. Diese führte mich nach Süden, dann weiter Richtung Westen an der Küste entlang und wartete gleich mit den ersten Stopps für kürzere und längere Entdeckungstouren auf. Da die Gegend in den vergangenen Jahrhunderten mehrfach Schauplatz kriegerischer Auseinandersetzungen zwischen Koreanern und Kolonialmächten aus Asien und Europa waren, gab es unzählige Befestigungsanlagen, steinerne Kontrollposten und Überreste von Burgen zu bestaunen; allesamt Relikte einer glücklicherweise vergangenen Zeit. Immer wieder stellte ich mein Wägelchen auf einem Parkplatz ab, um auf ein paar alte Steine zu klettern, Erdwälle und alte Kanonen zu bewundern. Kleinere Ausgucke wechselten sich mit trutzigen Burgen ab, Gruppen von Kindern huschten durch das Gelände. Es scheint ein Teil der in Korea üblichen Erziehung und Ausbildung zu sein, Kinder am Wochenende die Historie ihres Landes studieren zu lassen – denn genau das ließ sich hier hervorragend tun. Was mich dann aber doch stutzen ließ, waren die begleitenden Erwachsenen, seien es nun Lehrer, Betreuer oder was auch immer. Denn um der Kinderschar auch hinsichtlich der angeschlagenen Lautstärke Herr zu werden, kamen Megafone oder eine Kombination aus Mikrophon und Lautsprecher zum Einsatz. Man kann sich bildhaft vorstellen, dass das nicht gerade zum Senken der Lautstärke führt. Ich kam aus dem Staunen gar nicht mehr heraus. Zum Glück hatten die Kinder noch nicht technisch aufgerüstet...


Der Odu-Außenposten

Sonntag, 11. November 2012

Ich gehe mit meiner Laterne...

...und meine Laterne mit mir. Von oben leuchten die Sterne, von unten leuchten wir. Einmal jährlich gibt es in Seoul das große Laternenfestival, bei dem in einem kleinen, durch die Innenstadt fließenden Bach beleuchtete Papierfiguren aufgestellt werden. Lampions gelten in Korea wie auch in China grundsätzlich als Glücksbringer und sind sehr beliebt. Dementsprechend voll war es gestern, als ich das Festival besuchte. Etwas ungewöhnlich fand ich es schon, zwischen all den Hochhäusern ein solch traditionelles Fest zu feiern, andererseits war die Umgebung angesichts der tollen Figuren schnell vergessen. Groß und klein spazierte am Bachlauf entlang und bewunderte die leuchtenden Schätze aus Papier. Als Motive dienen jedes Jahr sowohl historische Ereignisse als auch Menschen und ihre alltäglichen Aufgaben und Tätigkeiten. Aber schaut selbst, was es alles zu bewundern gab.


Ein befestigte Stadt, wunderbar in Szene gesetzt




Eine Gruppe musizierender Mönche

Freitag, 9. November 2012

Namhansanseong

Während sich der Herbst in Deutschland langsam verabschiedet, ist es in Korea auch Anfang November häufig noch angenehm sonnig bei Temperaturen um 15 Grad. An meinem zweiten Wochenende wühle ich recht lange in den Reiseführern, bevor ich mich endgültig für ein Ausflugsziel entscheide. Es geht nach Namhansanseong, ein Provincial Park südöstlich von Seoul, der im Vergleich zu Bukhansan etwas weniger populär ist - dafür aber auch weniger frequentiert. Wieder kann ich per Metro und Bus anreisen, allerdings gestaltet es sich diesmal etwas schwieriger, die richtigen Verkehrsmittel zu erwischen, weil sich weniger Wanderer auf den Weg Richtung Park gemacht haben. Prompt werde ich beim Wechseln der U-Bahnlinie von einer Koreanerin angesprochen, die mir anbietet, mich bis zur richtigen Bushaltestelle zu begleiten. Da sag ich nicht Nein, das ist ein Service! Weniger entspannt wird die Busfahrt selbst. Der Bus fährt nur alle 20 min, dementsprechend gerammelt voll ist er. Zumindest umfallen kann man so gedrängt stehend nicht mehr. In Serpentinen schleicht der Bus den Berg hinauf, dem Park entgegen. Kurz vor dem Südtor steige ich aus und gehe zu Fuß weiter. Kurz darauf erreiche ich die Festungsmauer aus dem 17. Jahrhundert, nach der der Park benannt ist: Seong bedeutet Burg.


Namhansanseong in der Draufsicht, links unten das Südtor

Mein Plan ist, die 8 km lange, kreisförmig angeordnete Wehranlage einmal zu umrunden. Einst umgab diese Mauer eine in einem Bergkessel gelegene Siedlung und beschützte deren Bewohner vor Eindringlingen aus anderen Landesteilen. Die Siedlung ist nicht mehr erhalten, sondern einem großen Parkplatz mit Restaurants gewichen, aber die Mauer schlängelt sich wie eh und je durch die Berge. Am Südtor startend habe ich die freie Wahl: wandere ich im Uhrzeigersinn oder in der entgegen gesetzten Richtung? Ich entscheide mich kurzerhand für ersteres und mache mich auf den Weg.

Donnerstag, 8. November 2012

Bukhansan National Park

Es ist Herbst, Ende Oktober in Korea. Für die Koreaner ist das nach dem langen heißen Sommer nahezu gleichbedeutend mit Wanderzeit. Viele Einheimische sind begeisterte Wanderer, was sich mit unseren Beobachtungen in Tansanias Bergwelt deckt, wo wir mehreren Koreanern begegnet sind. Da ich nicht leugne, dass Berge auch auf mich einen gewissen Reiz ausüben, mache ich mich an meinem ersten Wochenende in Korea auf in den Bukhansan National Park. Direkt vor den Toren der Stadt gelegen und mit U-Bahn und Bus problemlos zu erreichen, gilt der Park als Seouls beliebtestes Ausflugsziel und der höchste Gipfel Bukhansan als Seouls Hausberg. Die Anfahrt ist eigentlich einfach, für einen Ortsunkundigen und der koreanischen Sprache nicht Mächtigen allerdings auch kein Selbstläufer. So trifft es sich gut, dass ich schon in der U-Bahn die ersten Wanderer treffe - eindeutig zu erkennen an der Bekleidung und den aus den Rucksäcken herausragenden Teleskopwanderstöcken. Ihnen folgend erwische ich auch den richtigen Bus und gelange schließlich am Nationalpark-Eingang an.

Auf einer der ersten Übersichtskarten orientiere ich mich und gucke mir das erste Tagesziel für heute aus - den höchsten Punkt des Parks. Die Wegstrecke ist fast zu vernachlässigen, mehr als vier Kilometer sind es nicht bis zum Gipfel. Allerdings sind mehr als 700 Höhenmeter zu überwinden, so dass ich es ruhig angehen lasse. Es ist fantastisches Wetter, die Sonne taucht die herbstlich gefärbten Blätter in warmes Licht. Auf dem Weg sind ein paar andere kleinere Wandergruppen unterwegs, die zusammen mit mir langsam bergan schreiten. Die Anzahl der Wanderer ändert sich schlagartig, als ich die nächste große Weggabelung erreiche. Wie ich sehe, strömen vom unterhalb gelegenen Parkplatz Menschenmassen auf den Wanderweg, dem Gipfel entgegen. Mit der Ruhe ist es nun vorbei, der eigentlich breite Weg ist voll mit Menschen. Ich lege einen Zahn zu, um diese Menschenansammlung hinter mir zu lassen, was mir allerdings kaum gelingt. Dafür werde ich nach einigen hundert Metern Anstieg mit einem ersten Blick auf die Granitgipfel belohnt, die sich vor mir in den Himmel recken. Was für ein Anblick! Nur langsam realisiere ich, dass es dort hinauf gehen wird. Das ist der Bukhansan, der höchste Gipfel des Parks!

Bayer Korea Limited

Anderthalb Tage lang habe ich mehr oder minder erfolgreich versucht, den Jetlag zu überwinden. Nun steht Aufregendes bevor: der erste Tag im Büro. Der mir bereits vertraute Fahrer holt mich bei strömendem Regen von meiner Wohnung ab und quält sich durch den morgendlichen Berufsverkehr, hinüber auf die Südseite des Hangang-Flusses. Wir brauchen eine Stunde für die etwa 20 km lange Strecke, teilweise geht es nur im Schritttempo weiter.

Schließlich stehe ich vor dem Gebäude, in dem ich in den kommenden 6 Monaten mein Büro haben werde. Eine Kollegin kommt mir winkend entgegen und führt mich direkt zum Gespräch mit dem Geschäftsführer in Korea. Ich werde heute viele Hände schütteln, Visitenkarten entgegen nehmen, mich unzählige Male vorstellen und sehr viele neue Gesichter kennenlernen. Auch meinen Platz in den Cubicles habe ich bald gefunden. Umringt von den übrigen BHC-Controllern sitze ich mittendrin. Nicht nur an diesem ersten Tagen, sondern auch an den darauffolgenden, sitze ich viele Stunden mit den Kollegen zusammen und lasse mir von diesen ihre Aufgaben, die Organisation und die aktuellen Themen erklären. Die Neugier beruht auf Gegenseitigkeit: viele Kollegen fragen nach meiner Herkunft, meinen Hobbys, meiner Motivation gerade nach Korea zu kommen, nach den Plänen für die nächsten Wochen. Die Frage, die von Koreanern angeblich gleich zu Beginn gestellt wird, fällt erst mehrere Tage später ganz beiläufig. Nur welche Frage ist es, die in Korea so dringend ist, dass sie schon in den ersten Minuten des Kennenlernens geklärt werden muss? Kleiner Tipp: Ein Europäer würde diese Frage - wenn überhaupt - erst nach Tagen stellen und der Antwort auch keine große Bedeutung beimessen. Ich schließe mich Tinas und Matthias wundervoller Tradition an und belohne jede richtige Antwort, die mich bis zum 16. November erreicht, mit einer Ansichtskarte aus Seoul!

Nach einem langen und aufregenden Tag trete ich schließlich am späten Abend den Rückweg nach Hause an. Die ersten Eindrücke waren gut, die Atmosphäre unter den Kollegen herzlich - so darf es gerne weitergehen! Es wird nur wenige Tage dauern, bis ich auch die ersten operativen Aufgaben übernehme und damit das lokale Team tatkräftig unterstütze.

Mittwoch, 7. November 2012

Gyeongbokgung

Meinen ersten Ausflug in die Seouler Innenstadt unternehme ich am folgenden Nachmittag, nachdem ich mich halbwegs auf dem (englischsprachigen) Metro-Plan orientiert und eine elektronisch aufladbare Nahverkehrskarte gekauft habe. Seoul Station muss ich die U-Bahnlinie wechseln und wie es der Zufall will, ist das der Hauptbahnhof. Die verschiedenen U-Bahnstationen liegen an den entgegengesetzten Enden des Bahnhofs und so habe ich das Vergnügen, mich einmal durch das komplette Gewühl zu schlagen. Soldaten, Geschäftsleute, Shoppingbegeisterte - selbst an einem Sonntag wie diesem ist hier einiges los. Auch wenn ich mehrmals glaube, den Weg zum anderen U-Bahn-Eingang verloren zu haben, findet sich doch immer wieder ein Schild mit dem markanten Metro-Symbol, so dass ich zu guter letzt doch meinem Tagesziel entgegenfahre.

Ich habe mir den Gyeongbokgung-Palast vorgenommen, den bedeutendsten der fünf ehemaligen Königspaläste in Seoul. Das Wetter ist passend dazu königlich, knapp 20 Grad und Sonnenschein. Im Eingangsbereich des Palasts werde ich mit einer kleinen Parade empfangen - es ist die Zeit des Wachwechsels. In bunten Gewändern gekleidete Wächter marschieren begleitet von Trommelwirbel über den Hof. Endlich mal eine standesgemäße Begrüßung! Ich kaufe mir eine Eintrittskarte und betrete den Palastbereich.


Montag, 5. November 2012

Das seltsame Leben des Analphabeten

Elementare Dinge, die einem sonst wie von selbst von der Hand gehen, werden in der neuen Umgebung plötzlich zur Herausforderung. Das merke ich schon nach den ersten Schritten, die ich vor die Tür meiner neuen Bleibe setze. Bargeld? Kein Problem, gibt es am Automaten bei der Bank gegenüber. Nur dass dieser fast ausschließlich mit koreanischen Dialogen aufwartet. Auch als ich mich nach einigen Versuchen erfolgreich durch die Menüs gehangelt habe, bleibt das Geldausgabefach leer. Angeblich ist meine PIN falsch, so die profane Fehlermeldung. Nach zwei Versuchen je Kreditkarte breche ich ab, um nicht gleich am ersten Automaten meine Karten loszuwerden. Auch bei einer zweiten Bank habe ich kein Glück. Am dritten Automaten dann endlich das Erfolgserlebnis: die ersten 100.000 koreanischen Won! Das erste Problem wäre damit gelöst.

Bleibt das Essen. Der Nachmittag ist vorangeschritten, es wird langsam dunkel. In der direkten Umgebung meiner Wohnung gibt es keinen Supermarkt, soviel habe ich bereits in Erfahrung gebracht. Die 7/11-Märkte, die es an jeder Ecke gibt, bieten nur Convenience Food, Getränke und Süßigkeiten. Der nächste Supermarkt, so wird mir glaubhaft versichert, liegt im World Cup Stadium. Auf dem U-Bahn-Plan meines Reiseführers ist unschwer zu erkennen, dass dies nur eine U-Bahn-Station entfernt ist - allerdings müsste ich mich dafür erstmal zur nächsten Station durchschlagen, die nicht gerade um die Ecke gelegen ist. Ich wähle den einfacheren Weg, winke mir ein Taxi heran und wiederhole für den Taxifahrer mehrmals mit verschiedenen Betonungen "World Cup Stadium", bis wir uns einig sind, wo es hingehen soll. Keine drei Minuten später bin ich da, auch fußläufig ist der Weg gut zu bewältigen. Der Supermarkt liegt, wie ich feststelle, zusammen mit einem Einkaufszentrum direkt in dem Stadion, in dem 2002 die deutsche Fußballnationalmannschaft Südkorea im WM-Halbfinale mit 1:0 geschlagen hat. Die meisten Südkoreaner können auch deshalb die Namen Oliver Kahn und Michael Ballack richtig zuordnen.

Mein Interesse gilt aber zunächst vor allem dem Supermarkt, in dem ich nach mehreren Runden auch die wesentlichen Dinge eingesammelt habe, um die nächsten Tage halbwegs zu überstehen. Dabei geht es mir beim Betrachten der Regale genauso wie vorher beim Versuch, Busfahrpläne, Straßenschilder oder Stadtpläne zu lesen: Des Koreanischen nicht mächtig verstehe ich nichts, kann wegen der Schriftzeichen nicht einmal die Buchstaben und Silben entziffern. Im besten Fall helfen noch die Abbildungen auf den Lebensmitteln, der Rest muss unter Zuhilfenahme des Instinkts funktionieren. Am Ende glücklich, zumindest die wichtigsten Lebensmittel bekommen zu haben, mache ich mich zu Fuß auf den Rückweg nach Hause. Thema zwei abgehakt.

Sonntag, 4. November 2012

Jede noch so lange Reise...

...beginnt mit einem ersten Schritt. Am 19. Oktober ist das Visum im Pass, sind alle Taschen gepackt, die Abschiedsfeierlichkeiten beendet - auf in den Fernen Osten! Mit kurzem Zwischenstopp in Helsinki fliege ich ins mehr als 8000 km entfernte Seoul. Der Flug ist überraschend kurz: es reicht für "To Rome with Love" aus dem Bord-Unterhaltungsprogramm, das Abendessen, ein zweistündiges Nickerchen und ein Frühstück. Es ist morgens 8 Uhr Ortzeit, als das Flugzeug auf koreanischem Boden aufsetzt. In Deutschland ist es gerade 1 Uhr nachts und höchste Zeit, um ins Bett zu gehen.

Ich schlürfe aus der Maschine in Richtung Passkontrolle. An den Schaltern hat sich bereits eine nicht enden wollende Schlange gebildet. Ein bisschen Geduld braucht es schon, bevor ich meine Fingerabdrücke abliefern darf und den Stempel im Pass bekomme. Nun noch flink das bereits fleißig im Kreis fahrende Gepäck eingesammelt und dem Ausgang entgegen! Dort wartet mein Fahrer auf mich, der allen Ankömmlingen ein Schild mit meinem Namen entgegenhält. Auch wenn er keinen Brocken Englisch spricht und sich die Kommunikation deshalb in einem engen Rahmen hält, kommen wir gut mit einander aus. Entspannt fahren wir dem vorläufigen Ziel entgegen, meiner Wohnung. Dort noch ein paar in koreanischer Sprache gehaltene Verträge und Papiere untschrieben und schon stehe ich in meinem eigenen Reich für die kommenden sechs Monate. Ich habe erstmal nur einen Blick für das Bett, in dem ich mich für die nächsten sechs Stunden verkrieche und alles andere um mich herum vergesse.