Donnerstag, 8. November 2012

Bukhansan National Park

Es ist Herbst, Ende Oktober in Korea. Für die Koreaner ist das nach dem langen heißen Sommer nahezu gleichbedeutend mit Wanderzeit. Viele Einheimische sind begeisterte Wanderer, was sich mit unseren Beobachtungen in Tansanias Bergwelt deckt, wo wir mehreren Koreanern begegnet sind. Da ich nicht leugne, dass Berge auch auf mich einen gewissen Reiz ausüben, mache ich mich an meinem ersten Wochenende in Korea auf in den Bukhansan National Park. Direkt vor den Toren der Stadt gelegen und mit U-Bahn und Bus problemlos zu erreichen, gilt der Park als Seouls beliebtestes Ausflugsziel und der höchste Gipfel Bukhansan als Seouls Hausberg. Die Anfahrt ist eigentlich einfach, für einen Ortsunkundigen und der koreanischen Sprache nicht Mächtigen allerdings auch kein Selbstläufer. So trifft es sich gut, dass ich schon in der U-Bahn die ersten Wanderer treffe - eindeutig zu erkennen an der Bekleidung und den aus den Rucksäcken herausragenden Teleskopwanderstöcken. Ihnen folgend erwische ich auch den richtigen Bus und gelange schließlich am Nationalpark-Eingang an.

Auf einer der ersten Übersichtskarten orientiere ich mich und gucke mir das erste Tagesziel für heute aus - den höchsten Punkt des Parks. Die Wegstrecke ist fast zu vernachlässigen, mehr als vier Kilometer sind es nicht bis zum Gipfel. Allerdings sind mehr als 700 Höhenmeter zu überwinden, so dass ich es ruhig angehen lasse. Es ist fantastisches Wetter, die Sonne taucht die herbstlich gefärbten Blätter in warmes Licht. Auf dem Weg sind ein paar andere kleinere Wandergruppen unterwegs, die zusammen mit mir langsam bergan schreiten. Die Anzahl der Wanderer ändert sich schlagartig, als ich die nächste große Weggabelung erreiche. Wie ich sehe, strömen vom unterhalb gelegenen Parkplatz Menschenmassen auf den Wanderweg, dem Gipfel entgegen. Mit der Ruhe ist es nun vorbei, der eigentlich breite Weg ist voll mit Menschen. Ich lege einen Zahn zu, um diese Menschenansammlung hinter mir zu lassen, was mir allerdings kaum gelingt. Dafür werde ich nach einigen hundert Metern Anstieg mit einem ersten Blick auf die Granitgipfel belohnt, die sich vor mir in den Himmel recken. Was für ein Anblick! Nur langsam realisiere ich, dass es dort hinauf gehen wird. Das ist der Bukhansan, der höchste Gipfel des Parks!



Wandern in Gemeinschaft


Die Granitfelsen im Blick


Picknick im Nationalpark

In einem großen Bogen geht es halb um den Berg herum, immer aufwärts. Schließlich stehe ich vor dem letzten Stück des Weges, der drahtseilversichert und sehr eng ist. Ich traue meinen Augen kaum! Eine nicht enden wollende Menschenschlange zieht sich den Berg hinauf! Hier wird tatsächlich angestanden, um nach oben zu kommen. Mich in asiatischer Geduld übend, reihe ich mich artig ein. Und es dauert eine gefühlte Ewigkeit, bevor ich dieses letzte Stück hinter mir habe, Schritt um Schritt nur geht es technisch anspruchsvoll zum 837 m über dem Meeresspiegel gelegenen Gipfel.

Warten auf den Aufstieg zum Gipfel des Bukhansan

Es bleibt mir also viel Zeit, das bunte Treiben um mich herum in Ruhe auf mich wirken zu lassen. Es fällt sofort auf, das alle Wanderer über die volle Wanderausstattung verfügen – von Funktionsjacken, Wanderhosen, Wanderstiefeln über Funktions-T-Shirts, Teleskop-Wanderstöcke, Mützen und Hüte bis hin zu Klettersteig-Handschuhen und Wanderrucksäcken. Ich staune nicht schlecht, damit hätte ich nicht gerechnet. Ich falle mit meiner nicht vollständigen Ausrüstung schon fast negativ auf. Europäische und amerikanische Outdoor-Ausstatter scheinen mit Südkorea einen riesigen Markt entdeckt zu haben.

Als ich nach endloser Warterei den Gipfel erreiche, werde ich für die Geduld belohnt: von hier oben bietet sich ein grandioser Blick! In der einen Richtung erstreckt sich der hintere Teil des Nationalparks, auf der anderen Seite sehe ich die Ausläufer Seouls unter mir liegen. Um mich herum wird gepicknickt, die Stimmung ist gelöst.


Gipfelpicknick - Ein Stückchen Fels für jeden


Blick über Seoul


Blick zum hinteren, wilderen Teil des Nationalparks


Ich genieße das Gipfelglück ausgiebig, bevor ich mich an den Abstieg mache. Dem Bukhansan gegenüber liegt ein zweiter gewaltiger Granitfelsen, der für Wanderer nicht zugänglich ist. Hier sind Kletterer in rauen Scharen unterwegs, die ich auf meinem weiteren Weg etwas neidisch beobachte. Andererseits ist es auch dort unglaublich voll, von Bergesruhe keine Spur. Insofern freue ich mich, als ich mich langsam von den Gipfeln und den Menschenansammlungen entferne und munteren Schrittes den ruhigeren Teilen des Parks zustrebe.


Kletterer an den gegenüberliegenden Felsen

Entlang einer alten Festungsmauer geht es bergauf und bergab und immer wieder bieten sich tolle Blicke zurück auf die Granitgipfel. Als sich die Sonne langsam dem Horizont nähert, mache ich mich langsam auf den Rückweg, um in einem großen Bogen wieder an den Ausgangspunkt meiner Wanderung zurückzukehren. Nach fünf Stunden Wanderung über insgesamt 12 km und etwa 1000 Höhenmeter in Auf- und Abstieg stehe ich wieder am Eingang des Parks. Hungrig und durstig, aber glücklich. Meine erste Wanderung hat sehr viel Spaß gemacht – und es wird sicherlich nicht die letzte gewesen sein im wanderverrückten Südkorea.




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