Soweit die Theorie. In der Praxis fiel unsere erste gemeinsame Runde wesentlich harmloser aus. Um kurz nach halb 7 starteten wir zu einem beliebten Restaurant im Zentrum Seouls, das für seine Grillspezialitäten bekannt ist. Im Gegensatz zu den meisten Lokalen kommt hier nämlich kein Schweinefleisch aus gewöhnlicher koreanischer oder chilenischer Haltung, sondern Bio-Schweinefleisch von der im Süden Koreas gelegenen Insel Jeju auf den Teller. Kaum waren wir im Restaurant angekommen und hatten Platz genommen, landeten dann auch schon die ersten großen Fleischscheiben auf dem im Tisch eingelassenen Grillrost. Für den aufmerksamen Leser könnte sich die Frage stellen, wie die Problematik des Rauchs gelöst wird, wenn an jedem Tisch im Restaurant fleißig gebrutzelt wird. Die Koreaner wären allerdings nicht die Koreaner, wenn sie nicht auch dafür eine elegante Lösung gefunden hätten: nämlich einen Rauchabzugsstutzen, der von der Decke hängt, in der Länge verstellbar ist und der während des Grillens bis kurz über den Rost heruntergezogen wird. Damit ist Qualm kein Thema mehr!
Frisches Bio-Schweinefleisch von Jeju landet auf dem Grill. Besonders beeindruckend: der zur Decke führende Rauchabzugsstutzen.
Ein weiteres überraschendes Detail ist die große Schere, die auf jedem Tisch griffbereit liegt. Wofür könnte die wohl zu brauchen sein? Die Lösung ist einfach: Damit das Fleisch auf dem Grill saftig bleibt, wird es zunächst in großen Stücken gegrillt. Kurz bevor diese gar sind, werden sie dann von der Bedienung mit einer Schere in bissfertige Häppchen zerschnitten, die noch kurz auf dem Grill weitergaren und dann direkt von dort gegessen werden. Vegetarier werden wahrscheinlich angesichts dieser koreanischen Spezialität die Augen verdrehen, ebenso wie ein Ernährungsberater – andererseits war der Geschmack des Gegrillten zumindest in unserem Fall vorzüglich.
Bei einem solchen Mahl dürfen natürlich auch die entsprechenden Getränke nicht fehlen. Wir entscheiden uns für Soju, Obstwein und Bier. Bei Soju handelt es sich in der ursprünglichen Form um ein alkoholisches Getränk, das aus einer vergorenen Mischung aus Reis, Kartoffeln und Weizen gewonnen wird. Infolge einer Reisknappheit in den 60er Jahren wurde die Herstellung aus Reis allerdings vorübergehend durch die Regierung verboten. Seitdem wird Soju zum größten Teil durch das Mischen von Ethanol, Wasser und Aromastoffen produziert. Auch wegen des damit verbundenen niedrigen Preises ist Soju bei den Koreanern sehr beliebt. Hinsichtlich des Geschmacks konnte mich das Getränk in seiner Reinform allerdings nicht überzeugen. Die Ähnlichkeit mit Wodka ist nicht von der Hand zu weisen, wobei die Geschmacksnote etwas milder ausfällt. Die Kollegen machten sich aber schnell daran, das auf dem Tisch stehende Bier mit Soju zu mischen und auch die mit Früchten versetzte und damit einem Fruchtwein ähnelnde Variante des Soju mundete sehr angenehm, so dass die Stimmung in unserer Runde sehr schnell sehr locker wurde.
Da ringsherum alle Tische besetzt waren, war der Lautstärkepegel im Lokal insgesamt ausgesprochen hoch. Überall saßen Angestellte und Geschäftspartner zusammen und genossen Speis und Trank. Nachdem wir die letzten Reste von den Grillrosten gegessen hatten, gab es für jeden noch eine große Schale Nudelsuppe, sozusagen als Hauptgang. Wobei unser Hunger nach den vorherigen Häppchen sehr übersichtlich war. Und so kam schon bald Aufbruchsstimmung auf, die uns in ein nahe gelegenes Pub führte.
In geselliger Runde gab es dort noch das eine oder andere Bier, abgerundet durch etwas ungewöhnliche Knabbereien wie beispielsweise getrockneten Fisch am Stück. Kurz vor 11 klirrten ein letztes Mal die Gläser, bevor wir uns mit Taxis und U-Bahnen angeheitert und müde auf den Heimweg machten. Es war unser erster gemeinsamer Ausflug – aber sicherlich nicht der letzte. Spaß gemacht hat es in jedem Fall.
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