Montag, 8. April 2013

Seoraksan-Nationalpark

Der wohl bekannteste Nationalpark Südkoreas liegt an der Ostküste, etwa 200 Kilometer oder drei Autostunden von Seoul entfernt. Ich hatte schon lange mit dem Gedanken gespielt, dem Park einen Besuch abzustatten – wobei ich davon ausging, dass die Wandermöglichkeiten im Winter recht beschränkt sein würden. Dementsprechend hatte ich den Ausflug bis in den März aufgeschoben, um mit ein bisschen Glück ein frühes Frühlingswochenende mit gutem Wetter zu erwischen.

Ende März bekam ich Besuch von Franziska und Tommy, die für eine Woche Seoul unsicher machten. Da der Seoraksan-Ausflug noch immer offen war, starteten wir an einem Tag mit strahlendem Sonnenschein zusammen in den Osten der koreanischen Halbinsel. Die Fahrt verlief ruhig und ohne Staus, so dass wir schon gegen Mittag den Nationalpark erreichten. Wir legten die Wanderbekleidung an, passierten schnurstracks den Parkeingang und begannen unsere Wanderung in Richtung des Talendes. Dort, wo die steil aufragenden Felswände sich immer näher kamen, passierten wir einige Stromschnellen und Wasserfälle und stiegen in den sich den Berg hinauf schlängelnden Weg zum Gipfelgrat ein. Der wolkenlose Himmel, der sich noch am Taleingang über uns erstreckt hatte, hatte sich allerdings mittlerweile zugezogen; von der Sonne war nur hier und da noch etwas zu sehen. Mehr und mehr dunkle Wolken drängten in die Berge.


Eine große Buddha-Statue kurz hinter dem Parkeingang


Ein kleiner Begleiter, scharf auf eine Mandel aus unseren Vorräten


Wir wandern entlang des Bachs

Wir waren erst wenige hundert Höhenmeter aufgestiegen, als wir feststellen mussten, dass der weitere Weg aus unerfindlichen Gründen gesperrt war. Wir folgten noch einem Abzweig zu einer kleinen Höhle, die oben in der Felswand gelegen war und einen tollen Ausblick bot, bevor wir uns wieder auf den Rückweg machen mussten. Das Wetter wurde zusehends schlechter, denn kaum hatten wir den Talgrund erreicht, da begann es zu nieseln. Spätestens zu diesem Zeitpunkt hätten wir unseren Aufstieg in jedem Fall abbrechen müssen – auch für den Fall, dass der von uns ins Auge gefasste Weg geöffnet gewesen wäre. Als wir schließlich den Parkplatz erreichten, goss es in Strömen, so dass wir uns auf kürzestem Weg zur Unterkunft aufmachten. Einen Stopp legten wir unterwegs noch ein, nämlich beim nahegelegenen Besucherzentrum. Dort fragten wir nach, ob der gesperrte Weg eine Ausnahme gewesen sei und welche Wege geöffnet seien. Die Antwort war ernüchternd – von Anfang März bis Mitte Mai sind alle Wege, die auf den Gipfelgrat hinaufführen ebenso gesperrt wie der Grat und der höchste Gipfel selbst, um einerseits der Natur ein bisschen Zeit zur Erholung zu geben und zum anderen, um Waldbrände zu verhindern. Nur einige kleinere Wege in Talnähe sind in diesem Zeitraum geöffnet. Mit unseren begrenzten Koreanisch-Kenntnissen hatten wir das beim Betreten des Parks nicht erfasst.


Blick über das Tal


Aufstieg zur Höhle


Kleiner Schrein in der Höhle in luftiger Höhe


Wir beschlossen, den Wandertag mit einem zünftigen Abendessen in einem koreanischen Restaurant in der nahegelegenen Hafenstadt Sokcho abzurunden. Die Anzahl der Restaurants ließ erahnen, was in Sokcho während der Hauptwanderzeit im Herbst los sein muss – wir hatten die Qual der Wahl. Letztlich entschieden wir uns für ein Restaurant mit koreanischem Barbecue und genossen das gegrillte Rindfleisch zusammen mit einer Unmenge eingelegtem Gemüse und kühlem Bier.


Koreanisches Barbecue

Der nächste Morgen wartete mit einer Überraschung auf: Über Nacht hatte es erheblich geschneit, ganz Sokcho war mit einer Neuschneedecke von etwa 20 cm bedeckt – und es schneite noch immer. Nun sollten wir also das Gegenprogramm zum Sonnenschein am Vortag kennenlernen. Wir ließen uns zunächst nicht beirren und fuhren hinein in den Nationalpark, wo wir angesichts der Wetterbedingungen eine eher leichte Wanderung zu einem nahe gelegenen Wasserfall in Angriff nahmen. Nur wenige Besucher hatten sich angesichts des Schnees überhaupt in den Park aufgemacht, und so stapften wir durch nahezu unberührten Schnee unserem Tagesziel entgegen. Im Gegensatz zum Vortag waren nun allerdings Wege, Brücken und die uns umgebende Natur in Schnee gehüllt, was einen vollständig anderen Eindruck vom Park vermittelte. An vielen Stellen mussten wir sehr vorsichtig sein, da sich nur erahnen ließ, was sich unter der dicken Schneedecke verbarg und insbesondere die metallenen Stufen von Treppen waren extrem glatt. Durch das Schneegestöber kämpften wir uns letztlich bis zum Ende des Weges durch, an dem sich ein Wasserfall idyllisch in einen kleinen Teich ergoss.


Es hat geschneit.



Ab zu den Wasserfällen!


Es hört nicht auf zu schneien...


Ziel erreicht


Als wir nach etwa drei Stunden am Ausgangspunkt unserer Wanderung zurück waren, schneite es noch immer. Wir für unseren Teil hatten genug Wintererlebnisse gesammelt, so dass wir entschieden, zurück nach Seoul zu fahren. Es dauerte nur etwa eine Stunde, bis wir eine Passhöhe gen Westen überquerten, hinter der sich das Wetter schlagartig besserte. Die Sonne schien und als wir Seoul erreichten, fanden wir dort Temperaturen um 10 Grad vor – vom Winter keine Spur. Einmal mehr verstanden wir, warum der Seoraksan-Nationalpark für seine schnellen Wetterumschwünge und seine starken Niederschläge bekannt ist: wir hatten es am eigenen Leib erfahren. Dabei konnten wir uns glücklich schätzen, denn welcher Besucher kann schon von sich behaupten, den Park innerhalb von zwei Tagen aus völlig unterschiedlichen Perspektiven gesehen zu haben? Wir können es.

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