Sonntag, 24. März 2013

Kyoto-Protokoll

Der Versuch, Kyoto mit seiner Geschichte und seinem kulturellen Vermächtnis in ein paar Zeilen abzuhandeln, kann der Stadt nicht gerecht werden. Denn Kyoto, das über die viele Jahrhunderte die japanische Hauptstadt war, ist ein lebendiges Museum. Wer auf den Spuren des traditionellen Japans wandern will, ist in Kyoto also genau richtig. Nur eine gute Flugstunde von Seoul entfernt, bot sich ein Wochenendausflug für mich geradezu an. Von Vorteil war, dass die Kirschblüte und damit auch die touristische Hochsaison in Kyoto noch nicht begonnen hatten. Damit waren einerseits Hotelzimmer zu erschwinglichen Preisen verfügbar, andererseits waren Stadt, Parks und Tempel noch nicht vollständig überlaufen, so dass die ursprüngliche Atmosphäre gut zu erleben war.

Mein Lager aufgeschlagen hatte ich in einem kleinen Hotel im Viertel Higashiyama. Kleine Gassen mit traditionellen Holzhäusern, Handwerksläden, Restaurants und Cafés luden in der direkten Umgebung zum Spazieren und Schauen ein. Hinter jeder Ecke gab es Neues und Überraschendes zu entdecken. Ein Tempel reihte sich an den nächsten, hübsche japanische Gärten schlossen sich an, Schreine versteckten sich hinter Holzpforten. Angesichts der Vielzahl an Sehenswürdigkeiten musste ich mich auf meiner Entdeckungstour durch Kyoto notgedrungen auf den Besuch einiger weniger historischer Stätten beschränken. Nachfolgend findet sich eine kleine Auswahl meiner Erlebnisse.

Higashiyama
Wenige Schritte von meinem Hotel entfernt, warteten einige der bekanntesten Tempel und Schreine Kyotos auf einen Besuch. Ein erster Spaziergang direkt nach meiner Ankunft in Kyoto führte mich zum Yasaka-Jinja, einem farbenfrohen Schrein aus dem 17. Jahrhundert, in dem, umgeben von einem kleinen Parkt, eigentlich zu jeder Tageszeit ein buntes Treiben anzutreffen war. Besucher spendeten Geld und läuteten die Glocken, um damit der Erfüllung ihrer Wünsche etwas Vorschub zu leisten. Hochzeitsgesellschaften traten zum Foto-Shooting an. Touristen besichtigten den Schrein.


Yasaka-Jinja



Läuten für die eigenen Wünsche


Flanieren durch Higashiyama

Ein paar Minuten zu Fuß weiter erheben sich die gewaltigen Tempelgebäude des Chion-In in den Himmel, eine der großen Pilgerstätten in Kyoto, gegründet im 13. Jahrhundert. Chion-In ist die Heimstätte einer der wichtigsten japanischen buddhistischen Sekten. Allein die Größe der Tempelanlage und der einzelnen Bauten ist beeindruckend. Leider wird die Haupthalle des Tempels seit dem vergangenen Jahr und noch bis 2018 restauriert und ist damit für den Besucherverkehr gesperrt. Der spektakulärste Teil des Chion-In blieb für mich also im Verborgenen.


Der Eingang des Chion-In


Anders beim Kiyomizu-Dera, der als Tempel das spirituelle Zentrum Kyotos bildet und zu den größten Besuchermagneten zählt. Im 8. Jahrhundert an einer heilsamen Quelle gegründet, erstreckt sich der Tempel mit seinen unzähligen Nebengebäuden etwas oberhalb der Stadt an einem Berghang. Beim Schlendern über das Gelände stieß ich auf mehrere Schreine, an denen für die Erfüllung von Wünschen gebetet werden konnte. Je nach Thema des Wunsches gab es einen anderen Schrein, einen anderen glückbringenden Boten, ein anderes Ritual. Glocken mussten geläutet werden, Wege zwischen zwei Punkten mit verbundenen Augen zurückgelegt werden, ohne sich zu verlaufen. Ein weiteres Highlight meines Besuchs des Kiyomizu-Dera war natürlich die Quelle, die das Zentrum des Tempels bildet. Mit kleinen Metallbechern konnten sich die Besucher einen Schluck vom heilenden Trank genehmigen, was von mir und vielen anderen gern in Anspruch genommen wurde.


Der Eingang des Kiyomizu-Dera und Kyoto


Das zentrale Tempelgebäude


Ginkaku-Ji und der Pfad der Philosophen
Genau das richtige Revier für einen herrlichen Nachmittagsspaziergang bot der Pfad der Philosophen, ein kleiner Weg, der zwischen Gärten und kleinen Häusern hindurch einem malerischen Bachlauf folgt. Der Frühling ließ bei meinem Besuch zwar noch etwas auf sich warten und die Bäume waren vornehmlich kahl – dennoch war das Wandeln auf dem Pfad ein Hochgenuss. Am Nordende des Weges erreicht man schließlich ein weiteres Highlight Kyotos: den silbernen Pavillon. Sofern man Glück hat und den Tempel am Morgen oder späten Nachmittag besucht, bleiben einem die Besucherscharen, die busweise ausgekippt werden, erspart. Zu besichtigen sind mehrere Tempelgebäude, ein herrlicher Zen-Garten, ein Teich sowie ein Aussichtspunkt. Ich nahm mir im Gegensatz zu den meisten durch die Anlage hetzenden Touristen etwas Zeit und genoss den beruhigenden Eindruck dieser herrlichen Anlage.


Ein Ausflug auf dem Pfad der Philosophen


Ginkaku-Ji


Fushimi-Inari-Taisha
Ein weiterer, besonders eindrucksvoller Schrein findet sich wenige U-Bahn-Stationen entfernt: der aus dem achten Jahrhundert stammende Fushimi-Inari-Taisha, der dem Gott des Reises gewidmet ist. Kein Besucher wird die tausenden orangefarbenen Tore jemals vergessen, durch die sich der Weg hinter dem Schrein den Berg hinaufschlängelt – fast schon magisch scheint dieser Ort. Überall gibt es kleine Füchse aus Stein – der Fuchs gilt als der Botschafter des Gottes des Reises, er wird in der japanischen Mythologie in höchstem Maße verehrt. Mein Spaziergang führte mich auf der wenig begangenen Bergseite hinauf zum Gipfel und auf der anderen Seite wieder hinab, vorbei an weiteren kleinen Schreinen und immer im Angesicht mit unzähligen Füchsen.


Der imposante Eingang des Fushimi-Inari-Taisha


Wandeln an einem magischen Ort


Bambus so weit das Auge reicht




Kinkaku-Ji
Das vielleicht berühmteste Aushängeschild Kyotos befindet sich im Norden der Stadt, etwas abseits der anderen Sehenswürdigkeiten. Ich wählte einen frühen Vormittag, um den täglich einfallenden Touristenmassen etwas aus dem Weg zu gehen, und hatte das Glück, den Tempel halbwegs ungestört besichtigen zu können. Man stelle sich einen goldenen Pavillon vor, umgeben von einem großen Teich, in dessen glatter Oberfläche sich der Pavillon spiegelt, dazu noch einen herrlichen Garten…Willkommen im Kinkaku-Ji! Meine Erwartungen vor dem Besuch waren hoch, aber sie wurden durch das Glitzern des goldenen Tempels noch übertroffen. Die gesamte Anlage war wirklich ein Genuss, und fast zu schön, um wahr zu sein.


Kinkaku-Ji, der goldene Pavillon



Auch wenn es sich bei meiner Reise nach Kyoto nur um einen Kurzausflug handelte, so durften ein paar Kostproben der japanischen Küche natürlich keineswegs fehlen. Besonders gelungen fand ich Udon, jene delikaten Nudeln in Brühe, die mit verschiedenem Gemüse serviert werden. Auch der Besuch in einem Sushi-Restaurant war in jeder Hinsicht lohnenswert – wann hat man schon einmal die Gelegenheit, echtes japanisches Sushi zu probieren? Schließlich hieß es natürlich einmal mehr Abschied nehmen, Abschied von der japanischen Höflichkeit, Abschied vom Kulturschatz Kyoto. Es war ein Ausflug mit vielen Eindrücken, mit vielen tollen Erlebnissen. Danke, Japan!

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